Das Elsässische Land hat eine
reiche und bewegte Vergangenheit. Weitab der großen Touristenstraßen
verschweigen manche Dörfer ihre Geschichte.
Klingenthal, ein kleines Dorf
nicht weit von Obernai, hat kein Geheimnis, keine Legende. Hier gibt es keine
mittelalterliche Wälle und majestätische Türme und nicht einmal
reichverzierte Fachwerkhäuser. Dennoch wartet der Glanz vergangener Zeiten nur
darauf, wieder ans Licht gerufen zu werden. Hier war einmal die erste
königliche Manufaktur für blanke Waffen.
Paris im Jahre 1729. König
Ludwig XV wünscht eine eigene Manufaktur für blanke Waffen, um nicht mehr von
ausländischen Lieferungen abhängig zu sein, insbesondere aus Solingen in
Westfalen.
Mit der Gründung der
Manufaktur, wird Henri Anthès betraut, Betreiber der Schmieden und Gießereien
in Rothau, nachdem er von Monsieur d’Angervilliers, dem ehemaligen Intendant
des Elsass, ausgewählt wurde. Im Januar 1730 führt Henri Anthès erste
Versuche mit einigen Facharbeitern aus Solingen durch. Unter Lebensgefahr geben
diese ihre Handwerksgeheimnisse weiter. Sie werden die ersten Arbeiter der
Manufaktur.
Am 15 Juli 1730 erstellt der
König Patentbriefe „Zur Gründung einer königlichen Manufaktur für blanke
Waffen im Elsass, für eine Dauer von 30 Jahren, für die königlichen Truppen“.
Die Manufaktur wird auf einem
Gelände errichtet, welches dem Grand Chapitre von Strasbourg gehört und der
kleine Bergbach Ehn liefert die benötigte Energie. Henri Anthès baut die dort
befindliche Mühle um. Sie wird der erste Schmiedehammer. Er läst eine
Schleiferei errichten, sowie Unterkünfte und Werkstätten für die Arbeiter.
Ab 1731 beginnt die Manufaktur
Waffen zu liefern. Die ersten Klingen tragen die Signatur „Manufacture
Royale d’Alsace“ (Königlich elsässische Manufaktur). Später
erhält die Manufaktur den Namen "Klingenthal". Dieser
Name entsteht aus „Klingen“, die sie herstellt und der
landschaftlichen Lage in einem „Tal“.
Die Manufaktur entwickelt sich
blühend. Neue Gebäude werden errichtet. Um die Hämmer und Schleifereien
längst der Ehn siedeln sich die Werkstätten der Schmiede, Härter, Gießer,
Feiler und Monteure an, sowie die Wohnungen der Arbeiter, der Inspektoren und
des Unternehmers. Ein Dorf entsteht in diesem grünen Tal, das von jetzt an im
unaufhörlichen Rhythmus der schlagenden Hämmer lebt.
Auf wohlhabende Zeiten folgen
dunkle Tage, aber die Waffen, die aus Klingenthal hervorgehen, werden mit immer
gleichbleibendem Eifer von erfindungsreichen und begabten Arbeitern angefertigt.
Hier entstehen alle Klingen für die Säbel, Degen und Schwerter der
französischen Truppen, die Bajonette, die Säbel der Grenadiere, der Husaren,
der Kavallerie und der Offiziere, ja sogar die Panzer der kaiserlichen Wache.
Die Hämmer liefern die
Stahlstangen, aus denen die geschickten Schmiede mit ihrer Kunst das
rotglühende Metall formen und ausziehen. Die Klingen werden gehärtet und auf
Schleifsteinen geschliffen. Facharbeiter sind damit beschäftigt, die Griffe,
Blätter, Halterungen und Leder oder Metallscheiden herzustellen. Bestimmte
Klingen für höhere Offiziere oder Generäle werden graviert und verziert, blau
und gold veredelt, wie es der Klasse und dem Ansehen ihrer zukünftigen Besitzer
entspricht oder gewünscht wird.
Aber der Wohlstand währt nicht ewig....
Nach den aufeinanderfolgenden
Invasionen von 1814 und 1815 wird die grenznahe Lage der Manufaktur kritisch
betrachtet, obgleich sie sich über ein Jahrhundert lang als vorteilhaft
erwiesen hatte. 1836 schließt Klingenthal unwiderruflich seine Tore, nachdem
1830 die Manufaktur von Chatellerault gegründet worden war.
Die Manufaktur wird von der
Familie Coulaux übernommen, aber jetzt werden nicht mehr nur Waffen
hergestellt, sondern auch Werkzeug, hauptsächlich Sensen und Sicheln. Diesmal
kommen Spezialisten aus dem österreichischen Tirol. Die Tätigkeit im Tal lebt
wieder auf und von nun an dienen die Schmieden im Rhythmus der Ernten und andere
Zwecke. An den bestehenden Einrichtungen und hydraulischen Vorrichtungen mussten
große Veränderungen vorgenommen werden, damit sie für ihre neue Aufgabe
geeignet sind. Die Sensen von Coulaux werden schnell weltweit bekannt. Auch
Aufträge für Waffen kommen wieder herein, besonders für Bajonettsäbel mod.
1866 des berühmten „Chassepot“ Gewehres, das selbst in Mutzig
hergestellt wird.
Anfang dieses Jahrhunderts
kommen harte Zeiten für das Unternehmen. Die einfachen handwerklichen
Einrichtungen können auf die Dauer mit dem Fortschritt der „modernen“
Industrie nicht mithalten. Am 1. Februar 1962 ist es dann soweit. Das Amtsblatte
verkündet, dass die Fertigung der Coulaux-Sensen endgültig eingestellt wird.
Die Schmiedefeuer
sind erloschen, die Hämmer stehen still. Klingenthal hat seinen früheren Ruhm
verloren... Und doch verbleiben noch Schätze aus dieser Zeit für denjenigen,
der sie zu betrachten weiß.